der widerspenstigen zähmung

Stachelbeeren

Meine Großeltern hatten, wie es sich in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts gehörte, einen Nutzgarten. Während sich vor der Terasse die Tulpen und Rosen aneinanderreihten und in einem kleinen, von meinen Großvater jedes Jahr in frischer blauer Farbe gestrichenem Becken die Goldfische tummelten, war die größte Fläche des Gartens hinter dem Haus bar jeder Gartenromantik. Bäume verschiedenener Apfelsorten standen in Reih und Glied und wurden jedes Frühjahr zuverlässig gestutzt. In akkurat mit Betonstein eingefassten Beeten wuchsen Salatköpfe und sprossen Karotten und Radischen in abgezirkelten Linien. Nur eine kleine Pfingstrosensammlung und die Clematis an der Schuppenwand zauberten einen Hauch Farbe und Wildheit in das zweckmäßige Grün.

Am Rande der Gemüsebeete standen Beerenbüsche Spalier. Zwischen Johannisbeersträuchern und Himbeerruten hatte auch ein Stachelbeerbusch seine Heimat. Ich erinnere noch, dass meine Mutter jedesmal ob dieser putzigen, behaarten Beeren in helle Verzückung geriet. Ich konnte ihre Freude nicht so recht teilen, denn die so niedlich aussehenden Früchte entpuppten sich als eher widerspenstiges Obst. Sie hatten eine zähe Schale und das säuerliche Fruchtfleisch erschien mir auf keinen Fall als kulinarische Offenbarung. Darüberhinaus wehrten sich die hellgrünen Gesellen gar bösartig gegen die Ernte. Jedes Mal wenn ich eine von ihnen zu pflücken wagte, fuhren sie ihre scharfen Krallen aus und ich bezahlte die zweifelhafte Gaumenfreude mit roten Striemen auf der damals noch sehr jungen Haut. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Mutter trotz ihres großen Entzückens, ihre grünen Freunde jemals in irgendeiner Speise zu Ehren kommen ließ. Dies weckte in mir den Verdacht, dass die stacheligen Beeren keinem andern Zweck dienten, als hungrige Beerenpflücker in ihrem Elan erlahmen zu lassen. Ohne Zweifel standen die Obstgartenwächter und ich die längste Zeit auf Kriegsfuß miteinander.

Nun ergibt es sich, dass mit den Lebensjahren auch eine gewisse Milde gegenüber früher herzlich Abgelehntem Einzug hält. Es mir inzwischen nicht nur möglich, die spröde Schönheit der Stachelbeere zu goutieren, vielmehr spüre ich jetzt selbst die vormals so eigentümlich erscheinende, mütterliche Verzückung über die bittersüße Beere. Die Zähmung der Widerspenstigen erleichterte mir dieses Buch, mein täglicher Begleiter durch die Obstgartensaison.

Stachelbeer-Apfel-Pie

Stachelbeer-Apfel-Kuchen nach Nigel Slater
Zutaten für den Teig: 150 g Butter, 150g Rohrohrzucker, ein Ei getrennt, 250 g Dinkelmehl, ein Teelöffel Backpulver Zutaten für die Füllung: ein Pfund Stachelbeeren, eineinhalb Pfund säuerliche Äpfel, 125 g Rohrohrzucker, 3 Esslöffel Apfel-Holunderblüten-Gelee

Eine 20 cm Springform oder eine Pieform einbuttern und mehlen. Den Ofen mit einem Backblech auf der mittleren Schiene auf 180°C vorheizen. Die Butter und den Zucker mit dem Handmixer zu einer hellen Creme aufschlagen. Das Eigelb untermischen, Mehl und Backpulver hinzugeben und mit der Hand zu einem glatten Kugel verkneten. Den Teig in zwei Hälften teilen. Während die eine Hälfte im Kühlschrank ruht, die andere Hälfte auf Waxchspapier ausrollen und in die Kuchenform legen. Die Ränder hochziehen, im Kühlschrank ebenfalls 30 Minuten kühlen.

Die Stachelbeeren putzen, die Äpfel schälen, vierteln und grob würfeln. Beeren, Äpfel, Zucker und Gelee in einen schweren Topf geben und bei mittlerer Hitze kochen, bis die Äpfel außen bereits zart, aber mit noch hartem Kern sind. Die Fruchtmasse mit einem Schaumlöffel aus dem Topf in eine Schüssel geben, die Temperatur erhöhen und den im Topf verbliebenen Fruchtsaft ca. zehn Minuten zu Sirup einkochen.

Die zweite Hälfte des Teiges zu einer Platte in der Größe der Kuchenform ausrollen. Die Fruchtmasse in die gekühlte Teigform geben, den Sirup darüberlöffeln. Die Teigränder mit Eiweiß bestreichen, die Deckelplatte über die Füllung legen und die Teigränder aneinanderdrücken. Mit dem Messer kleine Schlitze in den Deckel schneiden und mit einem Kochlöffel ein Muster in den Rand formen.

Ca. 30 Minuten goldbraun backen. Für eine besonders knusperige Kruste das Eiweiß leicht aufschlagen. Den Kuchen nach 30 Minuten kurz aus dem Ofen nehmen, mit dem Eiweiß bestreichen und mit Zucker besprenkeln, nochmals 5 – 10 Minuten backen.

Stachelbeer-Apfel-Pie aufgeschnitten

Im Englischen wird die Stachelbeere, vermutlich wegen des Gänsehaut verursachenden Geschmacks, gooseberry genannt.

Die Widerspenstige, sie hat mich gän(s)zlich gezähmt.

Nikki+++

5 comments to der widerspenstigen zähmung

  • Meine Stachelbeeren sind noch so sauer – aber wenn sie dann endlich genießbar sind, werde ich sie – unter Einsatz meiner Haut, denn die pieksen ja wirklich gemeingefährlich – ernten und nach deinem Rezept verarbeiten… LG mila

  • Dieser Kuchen sieht ganz nach meinem Geschmack aus, Mr. Slater liebe ich sowieso, kommt also gleich auf die (lange) Nachbackliste! Es gibt übrigens auch Strauch-Züchtungen, die eine Mischung aus Stachel- und Johannisbeere sind, die vereinen das Beste der Beiden (keine Stacheln, Schale nicht so fest…) und heißen bei den Eltern Jochelbeere und bei den Schwiegereltern Jostabeere:-)
    Liebe Grüße aus Hamburg, Dagmar

    • oh ja, die jostabeere, auch für sie hat Nigel feine ideen parat:) ein strauch steht schon seit zehn jahren in meinem gärtchen und wächst und wächst, allerdings lassen die beeren auf sich warten…lg, nikki

  • ich hingegen hab sie immer schon so gemocht – und jetzt gibts keinen garten mehr, zu dem ich pflückzugang hätte. muss ich wir wohl klammheimlich nachtnebelig mal irgendwo welchen verschaffen.